[ Pobierz całość w formacie PDF ]

deren deines Geschlechts fügen solltest.«
»Soll ich mich wohl wie jene frechen Weiber kleiden, die
vor aller Welt Augen ihre Schultern entblößen?«
«Es gibt hier einen Mittelweg. Dein dreifacher Tüllbe-
satz, der dein Kinn verhüllt, ist dem Auge nicht ange-
nehm. Du hast deine Schneiderin bewogen, deinem
Wuchs und deiner Taille alle Reize zu nehmen. Wenn
eine Kokette sich bemüht, die geheimsten weiblichen
Formen durch den Schnitt ihrer Kleider geltend zu ma-
chen, so bist du das Gegenteil von einer Kokette, denn du
bemühst dich, jedes Auge von deiner Gestalt fortzu-
scheuchen. Ich will dich nicht beleidigen, sonst könnte
ich dir sagen, wie fremde Leute in meiner Gegenwart,
weil sie nicht wußten, daß du meine Frau bist, sich über
dich aufgehalten.«
»Leichtsinnige Menschen sind nicht befugt, über meine
Fehler zu urteilen,« sprach Madame Grandville in einem
gewissen Lehrton.
»Warum hast du nicht getanzt?«
»Ich werde niemals tanzen,« versetzte sie streng.
241
»Auch nicht, wenn ich es begehre?« fragte der junge E-
hemann etwas heftig. »Du mußt tanzen, meine Liebe,
mußt dich nach der Mode kleiden, mußt Putz und Edel-
steine tragen, es ist die Pflicht reicher Leute, und wir sind
es, aus ihrem Überfluß den Luxus emporzuhalten.  Bes-
ser ist es. den Manufakturisten einen Verdienst zu gön-
nen, als den Armen durch fremde Hände Almosen spen-
den zu lassen.«
Der Zank ward endlich bitter. Madame Grandville blieb
keine Antwort schuldig, obschon sie ihre christliche Fas-
sung nicht verlor und ihre glockenreine Stimme niemals
lauter noch leiser ertönte, kurz, sie offenbarte einen Ei-
gensinn, in welchem der priesterliche Einfluß sich nicht
verkennen ließ.
Indem sie auf solche Weise ihr Recht behauptete, gestand
sie, daß ihr Beichtvater das Tanzen ihr ausdrücklich un-
tersagt. Grandville bemühte sich, ihr darzutun, daß der
Priester in seinen kirchlichen Pflichten zu weit ginge, und
der Streit ward von beiden Seilen heftiger. Um endlich
den verderblichen Einfluß des Kanonikus gänzlich zu
vernichten, schritt Grandville zum äußersten Mittel. Ma-
dame Grandville sollte nämlich nach Rom schreiben, um
zu fragen, ob eine Gattin, unbeschadet ihrem Seelenheil,
dem Manne zuliebe ihren Hals entblößen und Bälle und
Schauspiele besuchen dürfe.
Die Antwort des ehrwürdigen Papstes Plus VII. blieb
nicht lange aus; verdammte die Widersetzlichkeit der
Gattin ausdrücklich und gab dem Beichtvater obendrein
einen Verweis. Der ganze Brief überhaupt, ein wahrer
Ehekatechimus, schien der Feder Fenelons entflossen, so
242
anmutig und milde war er abgefaßt. Es hieß unter ande-
rem darin:
: Eine Gattin ist überall gut aufgehoben, wenn ihr Gemahl
sich bei ihr befindet, wenn sie auf seinen Befehl Sünden
begeht, so hat sie sie nicht zu verantworten.9
Madame Grandville aber beschuldigte in Gemeinschaft
mit ihrem Beichtvater lieber den Papst der Ketzerei, als
daß sie sich diesen heilsamen Lehren fügte.
Dreizehn Jahre verstrichen, ohne daß in diesem traurigen
Verhältnis irgend etwas Erzählenswertes sich ereignete.
Angelika war ganz dieselbe geblieben. Jetzt, wo sie das
Herz ihres Gatten verloren, wie damals, wo seine Liebe
sie beglückte. Sie ermangelte nicht, ihre eifrigen Gebete
zu Gott und allen Heiligen zu richten, um vom Himmel
sich Licht zu erflehen über die Fehler, die ihr die Liebe
ihres Gatten geraubt, den sie als einen armen Verirrten
betrachtete und als verlorenes Schäfchen so gern in die
Hürde der heiligen Kirche zurückgeführt. Je eifriger ihr
Gebet wurde, je mehr entfernte Grandville sich von ihr.
Seit fünf Jahren hatte er höhere Funktionen bei der Re-
gierung erhalten und eine andere Etage, obwohl im sel-
ben Hause, bezogen, um jede unangenehme Begegnung
mit seiner Gattin zu vermeiden.
Morgen für Morgen ereignete sich jedoch ein Auftritt,
der, wenn man boshaften Zeugen trauen darf, in gar man-
243
chen anderen Häusern noch bis auf den heutigen Tag auf
ähnliche Weise vorfällt.
Früh acht Uhr kam eine Kammerfrau, die ziemlich einer
Nonne glich, und schellte an der Tür der Wohnung
Grandvilles. Ein Kammerdiener pflegte ihr zu öffnen, sie
in die Vorgemächer zu führen, wo sie auf gleiche Weise
täglich sprach:
»Die gnädige Frau schickt mich, um den gnädigen Herrn
zu fragen, ob der gnädige Herr gut geschlafen und es dem
gnädigen Herrn gefällig wäre, mit der gnädigen Frau zu
frühstücken?«
Der Kammerdiener ging hierauf zu seinem Herrn ins
Kabinett und kehrte regelmäßig mit dem Bescheid zu-
rück:
»Der gnädige Herr läßt der gnädigen Frau recht sehr dan-
ken und um Entschuldigung bitten, denn ein wichtiges
Geschäft bescheidet ihn zum Palais.«
Eine Weile darauf klingelte die fromme Kammerjungfer
wieder und fragte, ob es der gnädigen Frau erlaubt sei,
den gnädigen Herrn, ehe er ausführe, zu sprechen.
»Der gnädige Herr sind schon aus,« antwortete hierauf
der Kammerdiener, obgleich die Equipage noch im Hof-
raum stand.
Wie gesagt, fiel diese Unterhandlung täglich vor. Der
Kammerdiener, ein Liebling seines Herrn, gab überdies
der Gräfin noch großes Ärgernis durch seine Irreligiosität
244
und seine lockeren Sitten. Oft ging er sogar nur zum
Schein in das Kabinett, wo sein Herr sich nicht einmal
befand, und brachte den gewöhnlichen Bescheid, mit
einer durch tägliche Übung gewonnenen Geläufigkeit.
Die betrübte Gattin stellte sich ihrem Gemahl oft in den
Weg, um seine Heimkehr zu erwarten. Wie das böse Ge-
wissen erschien sie ihm; durch ihren Fanatismus waren
die sonst so sanften Züge erstarrt. Infolge der Kasteiun-
gen und Fasten sah sie bei weitem älter aus, als sie wirk-
lich war; auch ihre unvorteilhafte Kleidung gab ihrem
Wesen etwas Unangenehmes und Zurückstoßendes.
Grandville pflegte alsdann, nur des Dekorums halber,
sich in ein Gespräch mit ihr einzulassen, folgte ihr bis-
weilen auch in ihre Wohnung, obschon selten, denn er [ Pobierz całość w formacie PDF ]
  • zanotowane.pl
  • doc.pisz.pl
  • pdf.pisz.pl
  • szkicerysunki.xlx.pl
  •